Klimawandel beeinflusst Standortentscheidungen

Klimawandel beeinflusst Standortentscheidungen 13 September 2022

„Klimaveränderungen werden verstärkt in unternehmerische Standortentscheidungen einbezogen. Auswirkungen des Klimawandels lassen sich zum Teil beeinflussen - Unternehmen können entsprechende Standortvorteile für sich und ihre Mieter generieren. Daraus ergeben sich neue Chancen etwa für Bürogebäude und Logistikimmobilien“


Die Folgen des Klimawandels zeigen sich immer deutlicher. So führt etwa das Niedrigwasser in vielen Flüssen dazu, dass Schiffe weniger Ladung transportieren oder diese bereits weit vor dem eigentlichen Bestimmungsort löschen müssen oder gar nicht mehr fahren können. Das erhöht die Transportkosten, Logistikketten werden gestört, und die Wirtschaftsleistung leidet –  diese Situation trägt aktuell mit zur Rezessionsgefahr bei.
 

  

Quelle: UFZ-Dürremonitor/ Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, abgerufen am 12.09.2022

Die Karte mit der offiziellen Bezeichnung "Dürre Gesamtboden" stellt den Bodenfeuchteindex in Deutschland bis zu einer Tiefe von ca. 1,80 Meter in fünf Kategorien dar. Die aktuelle Bodenfeuchte ist im langfristigen Vergleich äußerst niedrig.
 

Zum einen ist der Warentransport von Kohle, Ölprodukten, chemischen Grundstoffen oder Getreide betroffen. Güter also, die am Anfang von Produktionsketten stehen. Um die niedrige Beladungsmenge zu kompensieren, bräuchte es mehr Schiffe, doch die stehen nicht zur Verfügung. Ein Umsatteln auf Straße oder Schiene ist aufgrund von Kapazitätsengpässen nur begrenzt möglich.

Zum anderen wird die Energieproduktion beeinträchtigt: der Betrieb von Kraftwerken ist nur noch eingeschränkt möglich – wegen Brennstoff- bzw. Wassermangels.

Die ohnehin bestehenden Lieferkettenprobleme und die – aktuell insbesondere geopolitische – Unsicherheit bei der Energieversorgung werden durch das Niedrigwasser verschärft. Letztlich könnte großen Industrieanlagen die temporäre Abschaltung drohen. Zur Sicherung der Energieversorgung sah sich die Bundesregierung nun gezwungen, eine entsprechende Rechtsverordnung zu beschließen, nach der Energieträgertransporten per Bahn und dem schienengebundenen Transport von Großtransformatoren bei der Nutzung des Schienennetzes Vorrang einräumt werden kann.[1]

Auch wenn sich einige dieser Beeinträchtigungen mittelfristig abmildern dürften, ist es unabdingbar, den Klima- und Ressourcenschutz weiter voranzutreiben, und den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltiger und resilienter zu gestalten. Dazu zählen beispielsweise eine effizientere Ressourcennutzung sowie dezentralere Strukturen bei Versorgungs- und Lieferketten. Einen Beitrag dazu kann das Konzept der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) leisten - branchenübergreifend und entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Mit dem voranschreitenden Ausbau dieser Kreislaufwirtschaft wird die Rohstoffabhängigkeit reduziert, neues Prozess- und Produktions-Know-How wird erschlossen, und regionale Kreisläufe werden geschlossen. Auf diesem Wege bilden sich unter anderem ganz neue Beschaffungs-, Produktions-, Nutzungs- und Recyclingstrukturen heraus, mit entsprechenden Implikationen etwa für Forschungs- und Entwicklungs- sowie Produktions- und Logistikstandorte.

Die Neustrukturierung von Teilen der – insbesondere mit Blick auf niedrige Kosten – lange Jahre aufgebauten Lieferketten im Wege der Globalisierung ist zunächst komplex und teurer, verspricht im Idealfall aber langfristig eine Reduzierung von Transportwegen, ein Mehr an (Ausfall-)Sicherheit, eine Stärkung der wirtschaftlichen Basis hierzulande, und ein insgesamt nachhaltigeres Wirtschaften. Nicht nur vor dem Hintergrund der geopolitischen Risiken, sondern auch mit Blick auf die Klimafolgen sind neue Ansätze bei Standortentscheidungen also umso relevanter.

Was das Ganze mit der Immobilienwirtschaft zu tun hat?

Klimaveränderungen werden längst verstärkt in unternehmerische Standortentscheidungen einbezogen – das gilt für die Industrie ebenso wie für den Handel oder Dienstleister sowie Büronutzer. Die Auswirkungen lassen sich dabei zum Teil beeinflussen. Regionen und Unternehmen, die hier eine führende Rolle einnehmen, können entsprechende Standortvorteile für sich und auch ihre Mieter generieren, und zugleich eine lebenswertere Umwelt schaffen.

  • Bürogebäude, die mit Hilfe begrünter Dächer und Fassaden im Sommer deutlich zur Senkung der Temperaturen beitragen, tragen zu einem angenehmeren Mikroklima bei und wirken sich positiv auf das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Zudem brauchen sie weniger Klimaanlagen, haben niedrigere Emissionen, und verursachen niedrigere Energiekosten – ein echtes Standort-Argument für Nutzer, aktuell und perspektivisch.
     
  • Immobilien wie etwa Rechenzentren, die bislang „Unmengen“ an Strom verbrauchen und gleichzeitig große Emissionen produzieren, künftig aber CO2-neutral betrieben werden können und sich gleichzeitig unabhängig von externer Energie machen, werden in den Augen der Kunden und Investoren bevorzugt nachgefragt werden. Da eine zuverlässige Stromversorgung eines der wichtigsten Standortanforderungen von Rechenzentren darstellt, macht eine autarke Stromversorgung diese Immobilien diesbezüglich autonomer in ihrer Standortwahl.
     
  • Wurden in einem Produktionsprozess bislang Güter oder Vorprodukte mittels bestandsloser Beschaffungslogistik zeitkritisch zugeliefert, etwa um die eigene Kapitalbindung zu reduzieren, wird bei einer Umstellung auf Pufferbestände – um Lieferschwankungen ausgleichen zu können – künftig unter anderem mehr Lagerfläche, also auch entsprechende Immobilien, benötigt. Dadurch ändern sich Logistikabläufe und Standortanforderungen ebenso, wie beispielsweise durch den heimischen Aufbau von Batterie- und Zellkompetenz in der deutschen Automobilindustrie im Wege eines deutlichen Ausbaus von Forschung und Entwicklung hierzulande; bislang haben die deutschen Automobilhersteller diese für E-Autos essenziellen Komponenten primär von anderen Kontinenten zugekauft.
     
  • Städte, die sich zu den Sustainable Development Goals (SDGs) – den Nachhaltigkeitszielen der UN – verpflichten, und ihre künftige Entwicklung zukunftsfähiger gestalten, werden für Bewohner, Unternehmen und Institutionen, sowie nicht zuletzt für Investoren attraktiver. Das hat letztlich Einfluss auf die Standortwahl der genannten Gruppen.

Die uns zur Verfügung stehenden Ansätze sind vielfältig, und reichen von persönlichen Konsumentscheidungen über Einzelmaßnahmen an Gebäuden bis hin zu globalen Prozessen und Strukturen. Um zu funktionieren müssen sie flankiert werden von politischem Willen, aber auch einem entsprechend geänderten Nutzerverhalten – hier sind wir alle gefordert, ein „Weiter so“ ist definitiv keine Option.

[1] Quelle: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2022/058-wissing-vorrang-fuer-energietransporte-auf-der-schiene-sichert-die-stromversorgung.html, abgerufen am 24.08.2022